My Lord

   Mit seinen dreißig Jahren war der 1980 geborene Holsteiner Hengst lange der Oldie bei uns im Stall. Er kam siebenjährig zu mir, und ich verdanke ihm viel, denn er war das Pferd, mit dem ich den Übergang aus dem Junge-Reiter-Lager in den Seniorensport und schnell auch den Einstieg in den A-Kader geschafft habe. Dabei hat er mir das Leben anfangs nicht immer leicht gemacht. Beim Piaffieren konnte er in jüngeren Jahren schon mal vorne und hinten auskeilen.

    Zu unseren größten Erfolgen zählen Platz sechs bei den Deutschen Meisterschaften 1992. Im selben Jahr wie auch 1993 gehörten wir zum siegreichen Nationenpreisteam in Rotterdam. 1994 gewannen wir Bronze bei den Deutschen Meisterschaften; im Jahr darauf wurden wir Zehnte im Weltcup-Finale in Los Angeles und gewannen die Kür vor dem Wiesbadener Schloss.

    Danach ging My Lord in Rente und genoss sein Dasein auf der Koppel oder auf dem Paddock. Bis 2004 hatte er einmal im Jahr noch einen großen Auftritt: Beim Abschied der Nationen in Aachen bin ich immer My Lord geritten, denn die vielen weißen Taschentücher konnten ihn im Gegensatz zu den jüngeren Pferden nicht aus der Fassung bringen. Er hat dieses Spektakel enorm geliebt, und ich bin oft von Reiterkollegen darauf angesprochen worden, wie toll er immer noch aussah.

    Schon im Herbst 2008 hat My Lord mir und Sabine mit einer heftigen Kolikattacke einen Schrecken eingejagt, aber damals hat ihn Sabine geduldig wieder hochgepäppelt. Als er Mitte Oktober 2010 erneut Schmerzen bekam, war für alle zu sehen, dass sein Weg zu Ende ist, und er wurde durch den Tierarzt erlöst.

 

Bilder von My Lord